Doppelpunkt  first fortnight

Doppelpunkt Meine Nächte sind kühl und lang

Sie fließen durchs Fenster zum Mondenschein

Doppelpunkt In der Nacht

tropfen die Schreie der Gefangenen
wie Tau aus den feuchten Blättern des Waldes
 
In der Nacht ist mein Schlaf unruhig
Ich weiss um sie
Der Wind erzählt mir die Geschichten
 
In der Nacht
verwandelt sich der Schrei nach Freiheit
in politische Fahndung
zelebriert mit abgetrennten Gliedern
 
Schlag für Schlag
bespritzt dein Blut jene die ihrer Pflicht nachkommen
schlingt Ketten aus Gold um ihre Hälse
wissend sie sind dein Tod

Doppelpunkt Die Sterne stehen hoch in jener Nacht

in der dein naher Blick mir sagt:
 
Da sind nur Zweifel
 
In tausendfacher Stille
begrabe ich meinen weichen Körper in dir und weine

Doppelpunkt Tintenschwarze Nachtgespenster

saugen am Saum meiner Liebe zu dir
der geöffnet durch Willkürlichkeiten
deiner eitlen Halbwahrheiten zerschlissen am Boden reibt

Doppelpunkt  second fortnight

Doppelpunkt Im Laufe der Geschichte der Dummheit

ging so manches verloren
 
Am Anfang war´s das Paradies
 
Jetzt fehlt offiziell der Winter
und die Rose öffnet in rauer Nächte Tag ihre Knospen

Doppelpunkt Die Winternacht bricht an

mit Sichelmond und Stern
 
Raureif legt sich auf Wiese und Hain
 
Doch am Morgen singen die Vögel ihr Lied
und zarte Knospen sprießen aus dem Boden
der unberührt vom Schnee die Sonne grüßt

Doppelpunkt Frühling

 
Deine Schönheit berauscht mich
mit Unendlichkeit
füllt mich mit tiefstem Freudenblau
 
Gleich dem See
dessen leiser Gesang mich mit sich trägt
 
Umhüllt vom Duft
warm wie die Sonne
tief und feucht wie die Erde
 
Du bist
 
Deine Schönheit berauscht mich
mit Unendlichkeit

Doppelpunkt Sonnenstrahlen des Frühlings

zeichnen mein Gesicht
 
Arabeske aus zarten Linien
 
Der Duft des Grüns nimmt mich an die Hand
und zeigt mir mein Lachen

Doppelpunkt  third fortnight

Doppelpunkt Der zentrale Wert der Zeit

ist Geld
und das kommt vor der Moral

Doppelpunkt grau kleine männer flüstern leise:

renn renn hinterher
spring auf
musst mitmachen im großen spiel
 
aber ich will nicht
 
flüster flüster:
doch, du willst

Doppelpunkt Von Fernsehreportern und Journalisten

 
Gut bezahlte Mitmacher
auf Bildschirm und Papier
geben gut Grund für all Schweinerei
 
Wie dein Vaterland sich auf Muttererde stürzt
Wie ein verseuchter Strom an dessen Ufern wir stehen
Schleichen sie in dein Herz
und sagen dir die Wahrheit
mit der du lügen kannst

Doppelpunkt Schröder Schröder Schröderlein

hin und her hin und her
über Berge und durchs Meer
brennt deine Flamme
 
Schröder ist jetzt Gazpromi
 
Jetzt ist er in Zug am Zug
Das Spiel geht los und
Tore fallen auf Schalke
 
Schröder hat viele Freunde
und viel Geld
nicht nur Peanuts
 
Das Geld liegt ihm am Herzen
und in Ruhe in der Schweiz
 
Recht hat er
wozu Steuern zahlen in der Heimat
macht keinen Sinn
drüben is sowieso alles hin
 
Im Aufsichtsrat der die Aufsicht hat
macht er die Augen zu
drückt seinen kleinen Busenfreund an seine Brust
und der küsst kleine Jungen
 
Schröder Schröder Schröderlein
Gas an Gas aus
Du sitzt am Hebel
Machst wie es dir gefällt große Rente
 
Das is Politik!

Doppelpunkt  forth fortnight

Doppelpunkt liebe

 
frau geht in ein tanzcafe
sucht den mann des lebens
 
oje!
 
da kommt ein herr an ihren tisch
doch der sieht aus
gar wie ein fisch
 
die frau die sagt zu sich:
zieh nach die lippe
auf der toilette
vielleicht kommt er dann
der einzig nette
 
und kaum sie sitzt an ihrem tisch
kommt schon der nächste angefischt
 
sie wirft den busen aus wie eine angel
und nimmt sogleich ihn in die mangel
 
und siehe da
kein zweifel kann es sein
das ist der mann für
heim und kinderlein
 
so froh war unsere frau schon lange nicht mehr
und glaubt zum schluss noch an die liebesmär

Doppelpunkt Es dürstet mich nach deiner Nähe

trunkenvoller Leichtigkeit
Nichts kann sie beschweren
 
Kein Blatt kein Hauch
Niemandem wirst du den Eintritt verwehren
 
Sieh her Pan mein treuer Gefährte
Versteck dich nicht im Spiel
Will alles dir geben verlange nicht viel
 
Mit Blüten bekränz ich dein Haupt
und liege zu Füßen dir
 
Du befreist mich vom Staub
und schenkst alles mir

Doppelpunkt Viele Male hörte ich

verrückten Ohres
Deine Stimme
mir flüsternd erzählen
 
Von vieler Liebe sprachst
in tiefem Reim
 
Dichtetest dich dicht
an meines Körpers Gefühle
 
Nun fliegst davon
auf Zwillingsflügeln

Doppelpunkt  fifth fortnight

Doppelpunkt grüss euch gott alle miteinander

 
gebe dein gott dir
was er dir zu geben hat
heute jetzt und immerdar
 
gesegnet seid ihr heiligen väter
hungrig nach öl wie der teufel
gierig nach der kinder seelen und gold
 
gegrüsset seid ihr heiligen jungfrauen
gebenedeite voller angst
nicht fähig dem teufeln ein ende
zuzubereiten mit einem heiligen
verdammt noch
mahl

Doppelpunkt Bocksfüßige Missgestalt

spielt schaurig Flöte in Flur und Wald
 
Faustus der Narr und Knecht
ärgert sich
Hält sich Nase zu und Ohr
Bettelt um Zufriedenheit und Ruh
Aber die Ruh ist hin
 
Du stinkender Bock
Gib mir Geld und gib mir Jugend
gib mir Liebe und noch mehr
 
Warum zum Teufel?
Man gönnt sich ja sonst nichts!

Doppelpunkt  sixth fortnight

Doppelpunkt Auf den Brettern

die die Welt bedeuten
liegen heute nur noch Geld
und nackte Leiber

Doppelpunkt die dreigroschen opfer

 
in den winkeln der stadt
verirrt verwirrt
lauern dunkle gestalten
schnell um die ecke gebracht
 
junge mackie macker
mit gewetzten messern
geräuberte jennys
mit geschlitztem bauch
in der mitte ein diamant
 
mensch mackie und meier
bleib locker
die ladys nur
volllippige busenverwunderte opfer
rasiert lackiert
genagelt von hinten und vorne
is doch besser als alle fernsehopern

Doppelpunkt Ich bin professionell

sagte die Schauspielerin
 
Schaut her wie ich rede und bin
 
Bin sexy mit Beinen
und Lippen so rot wie rosenrot
 
New York Paris London Peking
Ich bin überall
die Königin der Nacht
 
In der ich mein Geld
mein großes großes Geld
im Schnee verpulvere

Doppelpunkt spiel

 
auf die bühne
dreht sich um rechts links
 
ein stuhl am kleinen tisch
 
blicke in reihe eins zwei und drei
langsam in die augen
 
mit ihrer stimme:
 
sarah kane
fünf stücke
dann tod durch erhängen

Doppelpunkt  seventh fortnight

Doppelpunkt Die Autorin befindet sich auf der Suche:

Nach dem Paradies
Es ist ihr verloren gegangen
 
Wo können Wölfe noch in Ruhe jagen?
Geh nach Tschernobyl!
Hinaus ins Leben das täglich mit dem Tode zusammenprallt
 
Bei uns gibt’s doch nur Zombies
 
In vielen Momenten wundern keine Bomben
 
Oh ja Gott sie glauben an dich
wenn du die richtige Hautfarbe hast!
 
Erlöse mich von dem Wohlstand
der die Wärme aus eisigen Gulags zieht
sich durch die Wüste schlingt und Hände in Gold wäscht
 
Die Tage erdrücken mich an manchem Tag und die Nacht bringt nicht ersehnte Ruh
 
Erst wenn der Mond zaghaft durchs Fenster scheint
und die Sterne am hohen Himmel sich zeigen
wagt mein Herz sich hinaus
und grüßt den Wolf auf weiter Flur

Doppelpunkt die wölfin

 
knall sie ab die wilde
 
schleicht des nachts in meine träume
 
knall sie ab lässt mir keine ruh
 
knall sie ab sie kann sich nicht beugen
 
knall sie ab will sie hier nie mehr sehn

Doppelpunkt  eighth fortnight

Doppelpunkt Meine Seele schwebt

über den Fluss
 
Mit seidenen Federn
das Ufer entlang

Doppelpunkt Die Zeit liegt zwischen

dir und mir
 
Du hast die Wärme, das Licht
Ich in Zeiten der Sonne die Lust

Doppelpunkt Vielleicht ist

die Sonne mein Herz
und
die Vögel meine Stimme
und
der Wind meine Küsse
und
der Regen meine Tränen
und
der Himmel meine Gedanken
und
die Erde mein Körper

Doppelpunkt Meine Seele singt

 
Du inmitten dieser Welt
erfüllst mich mit Liebe

Doppelpunkt Nebel liegt über dem Fluss

 
Verschwommenes Licht
und alles ist von dir erfüllt

Doppelpunkt  ninth fortnight

Doppelpunkt Ich schenke meine Tränen

den Kelchen der Engel
Mögest du daraus trinken

Doppelpunkt Ein Engel sitzt im grauen Hinterhof

in der Strasse ohne Baum
Aufgeregt rufen die Kinder:
 
Engel breite deine Flügel
flieg mit uns ins Paradies
 
Aber das Paradies ist verloren

Doppelpunkt Ein Engel sitzt am Rand der Welt

verloren
Gebrochne Flügel betten ihn
zartweiß und weich wie Schnee
 
Die schwarze Tiefe ruft nur leis
und doch gibt es kein Entrinnen
Zieht ihn wohin die Träume fliehn
Das Ende wird beginnen

Doppelpunkt  tenth fortnight

Doppelpunkt Ich bin nicht mit ihnen

Mein Geist ruht im Walde
 
Gedanken und Tun
wie die Wolken und ihre Farben
 
Stetig nur in ihrem Fließen

Doppelpunkt Bin weit entfernt von Elfen Feen

und all den andern wundersamen Wesen
 
Die Stadt ist ein hartes Pflaster
voller Steine und Anstöße
 
Das weiche Moos fehlt

Doppelpunkt  eleventh fortnight

Doppelpunkt kleine kriegsgeschichte

in ihrem körper trug sie eine kleine geschichte
die geschichte war so klein
wie ein fisch im land der fischer
 
sie erzählte sie so:
es war einmal eine mutter
die war sehr sehr traurig
weil sie wusste dass sie kommen würden
um sie zu nehmen und das mädchen und den sohn dazu
 
des nachts saß die mutter in ihrer kleinen küche
und weinte und weinte und fror entsetzlich
die decke um ihre schultern alt und zerschlissen
wärmte nicht mehr
 
sie weinte so viele tränen dass sich auf dem tisch
der kleinen kalten küche ein see bildete
 
und wie sie ihren kopf hob und in den see schaute
sah sie ihr gesicht rot und verweint war es
mit lippen blau vor kälte
 
und wie sie immer länger schaute
öffneten sich die lippen und lächelten
 
da erschrak sie und hörte auch schon ihre stimme aus dem see steigen
leise flüsternd rau und zart:
am morgen kommen sie es ist zeit zu gehen
nimm sohn und tochter und mach dich auf den weg
 
das wasser kräuselte sich und auf dem tisch
in der kleinen kalten küche lag ein fisch
 
wie die frau ihre zitternde hand danach ausstreckte um ihn zu fühlen
war er fort
das wasser glitzerte noch einmal vor ihren augen
und dann war alles als wäre nichts
 
müde stand sie auf und ging ins zimmer der kinder
hauchte zart einen kuss auf ihre stirnen
 
ging dann in die kammer das leichentuch zu knüpfen
bahn um bahn zu einem festen strick
 
ging zum balken die knoten zu knüpfen
rechts das mädchen links der bub
 
fest schlafen die kinder
erst das mädchen dann der bub
 
wie schön sie sind
meine kinder
leicht schaukelnd im wind

Doppelpunkt  twelfth fortnight

Doppelpunkt mädchens kriegsgeschichte

sei still mein mädchen ganz still
sie dürfen dich nicht finden
 
sei still mein mädchen ganz still
halt aus ich komm bald zurück
 
war still das mädchen ganz still
versteckt zum bündel geschnürt
 
war still das mädchen ganz still
und sprach fortan nicht mehr

Doppelpunkt seine kriegsgeschichte

 
die alten linden auf dem hof
erblühen des nachts feuerrot
 
bomberverbände ziehen übers land
und mütter mit ihren kindern
kleben im geschmolzenen asphalt ferner städte

Doppelpunkt  thirteenth fortnight

Doppelpunkt am strand

frau frau schau
von dir zu mir
denn ich bin hier
 
hier am horizont
wo die hoffnung wohnt
und mich vergisst
wenn das schiff die segel hisst
 
junge junge
komm bald wieder bald wieder ...
 
schluchzend lieg ich am ufer im sand
der meine träume in tausend stücke reißt
tausend stücke für tausend dollar
für eine fahrt ins nichts
 
willkommen auf lampedusa
 
die sonne scheint
bei tag und nacht
sag wer hat mich umgebracht?

Doppelpunkt  forteenth fortnight

Doppelpunkt sonne brennendheiß auf kahlen häuptern

ruinen, der mensch
tote schreien um vergebung
jammern klagen blind
 
niemand rührt sich von der stelle
angst beherrscht die nebelwelt

Doppelpunkt Die Nebel

 
Es sind die eisigen Herbstnebel
gebraut aus Angst und Verzweiflung
die mich umfassen
 
Deren grausame Feuchtigkeit mich durchdringt
wie der Samen eines ungeliebten Liebhabers

Doppelpunkt Irre Einsame

irren einsam umher
Den Tod zu suchen im finsteren Gral

Doppelpunktkontakt

christine ahlborn
theater | texte | lyrik | fotografie
weier 109
ch-3068 utzigen

 

Doppelpunktimpressum

gedichte : ©hristine ahlborn : 1. märz 2007
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aufnahmen, technik : edi modespacher www.moemusic.ch
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